Dienstag, 26. September 2017

Warum gehen wir zur Arbeit?

Letztens sprach ich mit meinem Freund Karl über die Arbeit. Er ist Anfang 40, wirkt aber etwas jünger, und weil er ein smarter Typ ist, arbeitet er in der Medienbranche. Karl war aufgefallen, dass er in seinem Alter ganz anders auf Kolleginnen unter 30 wirkt als noch vor ein paar Jahren. Inzwischen ist er für sie nämlich Luft - nicht als Kollege, sondern als Mann. Als Kandidat für Flirts, schöne Augen und kurze Hintergedanken. Beruflich ist er quasi seiner Männlichkeit beraubt und nur noch ein Roboter im Medienzirkus.

Er haderte merklich mit seinem Schicksal. Wie kam es dazu? Er schob diese Veränderung ganz klar auf sein Alter, denn früher muss es anders gewesen sein. Vor ein paar Jahren gaben sich die Stimulantinnen an seinem Schreibtisch die Klinke in die Hand, malte ich mir in meiner Fantasie aus.

Nun kenne ich Karl noch nicht so lange, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass er früher tatsächlich mehr Aufmerksamkeit von besagten Kolleginnen bekam. Medienbranche, alles Flittchen, kennt man ja. Vielleicht hat er sich das damals aber auch nur eingebildet. Oder er verklärt heute die Vergangenheit, weil er mit (grob geschätzt) 5 Kindern von 3 Frauen inzwischen sein jugendliches Draufgängertum vermisst. Die Wahrheit kennen wohl nur seine früheren Kolleg(inn)en, aber die standen nicht für ein Interview zur Verfügung.

Die viel interessantere Frage ist jedoch: Warum fällt ihm das auf? Warum beschäftigt es ihn, dass am Arbeitsplatz niemand unter 30 mal alleine mit ihm essen gehen möchte? Er hat sich nicht offen über den Umstand beklagt, aber man konnte heraushören, dass er auch nicht sehr erfreut über seine nachlassende Attraktivität war. Es könnte ihm ja auch egal sein, weil er zur Arbeit geht, um seinen Job zu machen, und dasselbe auch von den anderen Leuten im Büro erwartet, aber implizit hat er die Erwartung geäußert, dass seine Kolleginnen ihm schon irgendwann schöne Augen machen würden, wenn sie ihn nur attraktiv genug fänden.

Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass seine Kolleginnen von heute einfach nur ihre Arbeit machen wollen. Sie wollen gar nicht flirten, gucken oder fantasieren, weil sie das im beruflichen Umfeld unpassend finden, gerade beim Chef, und sei der Kerl noch so attraktiv. Ich traue ja durchaus jeder Frau zu, dass sie zur Arbeit geht, um zu arbeiten, anstatt hormongetrieben am Bleistift zu lutschen. Und Männern traue ich das auch zu, wobei ich keinen Mann kenne, der gern an Bleistiften lutscht. Frauen/Sekretärinnen machen das ja dauernd, wie ich weiß, seit ich auf den Premium-Account von Pornhub gewechselt bin.

Bei Karl mag es anders sein. Wäre er damit ein Männerschwein? Ein Chauvi-Chef? Ein Sexist? Ein durchschnittlicher männlicher Angestellter? Ich muss mit ihm nochmal drüber reden - am besten bei einem Bier und nicht im Büro, denn ich mag ihn. Der Kerl ist ganz in Ordnung.