Donnerstag, 18. September 2014

Vier Jahre mit RP

Der Spiegel ist Schuld. "Arthouse-Porno" und andere plakative Attribute verpasste Spiegel Online RP Kahls Bedways im Sommer 2010 für eine sehr verlockende Rezension. Kein Wunder, dass Tabsie und ich damals sofort Feuer und Flamme für den Film waren, befanden wir uns doch selbst in einer sexuellen Findungsphase mit Lust auf Popcorn. Also Hosen aus und rein in den Film!

Wer hätte damals gedacht, dass RP Kahls Arbeiten vor und nach Bedways vier Jahre später bei uns immer noch ein Thema sein würden? Das hängt sicherlich mit der Fülle an Werken zusammen, die rund um Bedways entstanden sind:

Die Uraufführung von RP Kahls REHEARSALS fand bei den Hofer Filmtagen am 25. Oktober 2012 statt. Sie bildet den Abschluss eines Kompendiums von Arbeiten Kahls in den Jahren 2006 bis 2012, die sich mit den Themen Begehren, Körperlichkeit und Sexualität beschäftigten und die Filme (Bedways, Miriam), Videokunstarbeiten (Nude. Women), Fotografien (Giddyheft-Shootings) und Performances (Rehearsals, Zürich) dieses Arbeitszeitraumes zusammenfasst.

Wir hatten ja keine Ahnung, wir wollten nur einen Arthouse-Porno schauen - mit Popcorn. Seitdem haben wir nicht nur seine zahlreichen Giddyheft-Shootings konsumiert, darunter als Highlight natürlich die Bilder von unserer herzallerliebsten Lucy *schmacht*, uns flatterten auch die Special Edition von Bedways und eine Aufzeichnung von REHEARSALS ins Haus. Ein Fest für Voyeure, kann ich euch sagen. Außerdem hatten wir im Rahmen eines Wurstfrühstücks die Gelegenheit, RP Kahl zu sämtlichen Schweinereien zu interviewen ("Warum sind auf deinen Bildern alle nackt?", "Steht RP wirklich für Richtig Porno?"). Selten hatte eine Spiegel-Rezension solche Folgen.

Wer sich für die Werke seit 2006 interessiert, kann sich über die drei Studio-Editionen REHEARSALS, NUDE.WOMEN und DARKROOM das große Ganze ins Haus holen. Die limitierten Editionen umfassen Kurzfilme, Videostills, Fotografien, verlängerte Szenen und Einblicke in seine Arbeit als Fotograf.
Besonders spannend fand ich ein Gespräch, das sich zwischen RP und seinem Modell Mara Morgan während eines Shootings im Züricher Museum of Porn entwickelt. Eigentlich nur als Ziel voyeuristischer Blicke vorgesehen, lässt sich Miss Morgan dazu überreden, im Rahmen einer Live-Performance mit den Zuschauern gegen Geld zu interagieren. Wer genug zahlt, darf alles mit ihr machen. War das Kunst oder Prostitution? Und wo war ich an dem Abend eigentlich?

Aus den Aufnahmen geht hervor, wie die einzelnen Teile dieses Werkes ineinander übergehen und welche spezielle Sichtweise RP Kahl im Kontext der oben genannten Themen einnimmt. Sicherlich ist nicht jeder Teil dieses Projektes so leicht und geil konsumierbar, wie Spiegel Online damals Bedways beschrieben hat, aber wer sich hier vom Künstler durch die Editionen leiten lässt, wird belohnt.

Details zu den Studio-Editionen gibt es unter http://rpkahl.bigcartel.com/

Sonntag, 14. September 2014

Gitte auf dem Weg zur Arbeit

Es ist immer aufregend, wenn zwei Welten aufeinander prallen - oder sich zumindest leicht touchieren. So geschehen am Freitag, als ich gegen Mittag auf dem Weg zur Arbeit aus dem Bus stieg. Vor mir stieg eine stark gebräunte und geschminkte Frau aus, deren strahlend blaue Augen mich im Bus beiläufig angesehen hatten. Sie lief ein paar Meter vor mir in die gleiche Richtung wie ich, so dass ich unter ihrem knappen T-Shirt ein massives Arschgeweih ausmachen konnte. Als ich dann auch noch die recht große Tasche bemerkte, die sie trug, machte es klick bei mir. Sollte Sie etwa...?

Dazu muss man wissen, dass ich vor dem Besuch bei Caro im örtlichen erotischen Dienstleistungssektor recherchiert habe, wie ein jeder hier nachlesen kann. Bei diesen Recherchen fand ich nebenbei heraus, dass meine Arbeitsstelle von Etablissements quasi umzingelt ist. Von zweien hatte ich schon länger gewusst, weil dort stets bunte Herzen an der Fassade blinkten, aber das Massagestudio gleich um die Ecke war mir neu. Schrie das nach einer entspannenden Feierabend-Massage am Ende eines anstrengenden Arbeitstages? Wahrscheinlich keine gute Idee. Und wusste mein Kollege Robert, der sogar gleich um die Ecke wohnt, eigentlich, wo er da wohnt? Falls ja, war das etwa Absicht vom Robert? Denn wer wohnt schon freiwillig so nah bei seiner Arbeitsstelle? Es sei denn...

Nach diesen wahrlich schockierenden Enthüllungen konnte ich erst einmal drei Nächte schlecht schlafen, bevor ich mich zusammenriss und wieder ganz normal zur Arbeit fuhr. Aber was ist schon normal, wenn man weiß, dass um den eigenen Schreibtisch herum die Sünde lauert? Jedenfalls bemerkte ich bald, dass mein Radar anging, wenn ich auf dem kurzen Weg vom Bus zum Büro war. Oder mir mittags was beim Bäcker holte. Oder ich in der Küche stand und auf die Straße schauen konnte. Vielleicht lief ja gerade eine Dienstleisterin vorbei, gut gelaunt auf dem Weg zur Arbeit und bestimmt darauf aus, von mir als solche erkannt zu werden. Bloß woran eigentlich?

Ach, wäre ich doch unwissend geblieben, dann wäre es nie so weit gekommen.

Und dann kam der letzte Freitag. Plötzlich tauchten vor meinem imaginären Auge lauter fette Pfeile auf, die auf die überwältigenden Indizien an der Frau vor mir hinwiesen: einer auf ihre Tasche, ein anderer auf ihr Arschgeweih, noch einer auf ihr Makeup. Und weil sie auch noch in die Richtung des Massage-Salons lief, piepte mein Radar außergewöhnlich laut. Diesmal war es nicht bloß wieder die Bäckereifachverkäuferin, der ich das alles andichtete, diesmal war mehr drin, da war ich mir sicher. Also verlangsamte ich taktisch klug meinen Gang, so dass sie mehr Vorsprung hatte, ich sie aber nicht aus den Augen verlor. Mein Plan war, sie möglichst lange zu beobachten, ohne dabei als der perverse Spanner aufzufallen, der ich in dem Moment war. Ich wollte es einfach wissen. Und das gelang: Kurz bevor ich nach rechts zum Büro abbiegen musste, sah ich, wie sie links über die Straße geradewegs auf das Studio zulief. Mein Arbeitstag konnte beginnen.

Am Abend ergab dann eine kurze Recherche, dass es sich bei der Dame um Gitte handelte. Die Fotos im Netz zeigten dieselben blauen Augen und dasselbe Arschgeweih. Jetzt weiß ich also, wie Gitte auf dem Weg zur Arbeit aussieht. Darauf kann ich mir was einbilden.

Nachdem die kindliche Aufregung über meinen Sensationsfund verflogen war, setzte das Hirn wieder ein, und mit ihm die unbequeme Frage: Tut das Not? Auf dem Weg zur Arbeit ist mein Kopf in der Regel schon im Arbeitsmodus, da sind Gedanken an erotische Massagen (also die Arbeit manch Anderer) vielleicht gar nicht hilfreich. Ich finde es jedenfalls merkwürdig, wenn das immer vorhandene Potenzial dieser glitzernden Scheinwelt in meiner eigentlich drögen Arbeitswelt so präsent ist. Meiner Konzentration hilft es nicht. Es muss doch auch mal Orte ohne Sex geben, denke ich mir. Und Gitte würde mir sicherlich zustimmen, wenn sie hiervon wüsste.

Ob sie wohl heute arbeiten musste?