Donnerstag, 6. Oktober 2016

Das Gulasch am Buffet

Ein Beitrag unseres französischen Gastautors Michel Fuckault.

Als erstes stelle ich fest, dass es Christines Idee war, ins Pandora zu gehen. Jasper hatte es uns seiner Zeit empfohlen, Ramon, unser jetziger Liebhaber, meinte, der Klub sei klein und übersichtlich. Also gut, zum ersten Versuch, etwas kleines, familiäres, und keine unüberschaubare Masse, die uns überfährt.
Warum Christine ausgerechnet jetzt an diesen Tag will und nicht lieber morgen oder letztes Jahr, kann ich es nicht beantworten. Das Motto am Abend ist „Paare & Bi-Ladies". Damit einzelne Männer uns nicht zu sehr anstrengen, denkt Christine. Und so werden wir vielleicht die Chance haben, eine Frau kennen zu lernen. Das ist also der Plan.
Wir sind früh wach, aufgeregt und total hibbelig aufgestanden und probieren gleich nach dem Frühstück unsere Outfits aus. Ich, blauer Anzug und hellblaues Hemd, sie schwarzer Straps, ein Höschen mit Perlenkette, Minirock schwarz und ein Top mit Spitzen. Klasse. Nicht allzu Porno, aber auch nicht allzu gepanzerte Mutter Theresa.

Wir haben uns am Abend fein gemacht und sind viel zu früh gestartet und zu früh angekommen, so dass wir eine geschlossene Tür finden. Ein Paar wartet schon. Höflichkeitsfloskeln und dann fängt Christine ein Gespräch mit der Frau an: Es ist toll, es ist klein, die Menschen nett, sie kommen jeden Samstag, blabla. Dann kommt die Matronne vom Laden und öffnet die Tür.
Es ist plüschig, es riecht ein bisschen abgestanden.
80 Euro.
Dafür freie Getränke. Zur Feier des Tages trinke ich eine Weißweinschorle und Christine einen Prosecco mit Eis. Dann bleibe ich bei Colalight und Christine weiter mit Prosecco mit Eis.
Das Paar wird bald von einem anderen ersetzt, und wir unterhalten uns lose mit anderen Paaren.
Immer kommen die Menschen, es wird eng. Alle tragen Tücher. Wir haben unsere Tücher in unserem Fach gelassen, wir wissen noch nicht, wofür sie gut sind. Das Buffet wird gestürmt. Jetzt riecht/stinkt es auch noch nach Essen.

Die Ordnungskleidung ist den Männern vorgegeben: Anzug, Stoffhose, Hemd. Ein alter Knacker mit Bierbauch kommt angerobbt und schubst mich von der Theke weg und bestellt ein Helles. Er trägt einen schwarzen String mit Bikerkette und ein enges Top. Ein Schwall alter Schweiß überwältigt uns. Uuuuuh. Der Typ hat nicht geduscht. Erst jetzt sehe ich seine Puma Flip-Flops. So viel zur Kleidungsordnung.

Immer mehr Menschen kommen und jedes Mal werden wir enttäuscht: Zu alt, zu dick, zu vulgär, zu offensichtlich, zu verlebt, zu jung, zu klein, zu dünn, zu vulgär - aber das hatten wir schon. An der Bar haben wir wieder Platz, obwohl immer mehr Menschen ankommen. Irgendwo sollen die Menschen auch sein…. Wir legen los. Erster Schock: Ein Frau ist auf einen Gynstuhl festgehalten und wird von ihrem Typ gefingert. Sie stöhnt um ihr Leben. In diesem Moment kann ich nur hoffen, dass Christine sich nicht auch hinlegt und dem Typ sagt: „das will ich auch“. Sie kann schon mal ab und zu laut sein, würde sie aber so stöhnen, würde ich einen Lachkrampf bekommen, oder sie bitten aufzuhören, mir etwas vorzumachen: Wir sind in (k)einem Pornodreh.

In einem anderen Raum bläst ihm die Frau von Bierbauch. Wir bleiben nicht lang. Kurz danach sitzen wir wieder an der Bar. Colalight. Eine Frau sieht etwas verlassen gelangweilt und starrt vor sich hin. Sie sieht bieder wie eine Mitarbeiterin einer Verwaltung. Sie trägt ein langes schwarzes Seidenkleid. „Stille Gewässer sind tief“ habe ich gestern von meinem Glückskeks beim Chinesen erfahren. Vielleicht lässt sich etwas mit ihr anfangen. Aber dann kommt ihr Macker aus der Toilette zurück: da ist nichts zu tun. Der Typ ist unattraktiv: Das wird Christine nie wollen. Er legt eine Hand um ihre Hüfte, das Kleid geht leicht auseinander: Unten Ohne. Ahah. Gerade habe ich mir gedacht, dass dieses Paar noch heute leer ausgehen wird. Einige Minuten später finden wir sie wieder auf einer große Plastikwiese. Sie liegt auf dem Bauch und er steht vor ihr und dringt in sie ein. Und in diesem Moment verstehe ich, warum wir Tücher mit uns herumtragen und wofür sie gut sind. Wie beim Sportstudio: Die Tücher dienen dazu die Geräte sauber zu halten, wenn ich gerade darauf sitze und meine Eisengewichte stemme. Die Woche war ich gut. Bei der Brustpresse stemme ich mittlerweile 50 Kg hin, fällt mir ein, und ich habe bereits einen 2-Pack. 6-Päck schaffe ich bald, denke ich, als Christine mich in ein Zimmer zerrt, wo eine andere Frau schreit, als ob sie jetzt entbinden würde.
Es ist 21.00. Wir sind erst eine Stunde da. Von mir aus können wir jetzt schon heimfahren. Ich werde heute Abend definitiv keinen hochkriegen. Und sollte es mir dann doch passieren, lieber verzichte ich auf irgendeine Aktion. Ein Typ grapscht an Christines Schulter. Nein. Okay, er hat´s kapiert.

Ich muss aber feststellen, dass wir bald eine dritte Runde und noch eine vierte Runde gehen. Ich bin fassungslos, angewidert, schockiert, monogam, aber wir gehen immer wieder durch die Zimmer: Wir sind fasziniert. Eine Colalight, ein Prosecco mit Eis, eine Runde, ein Colalight, ein Prosecco, die nächste Runde.

Ich habe in der Menge eine sehr schöne Frau ausgemacht, deren Typ Christine auch gut gefällt. Ah, ah. Dann vielleicht doch. Wenn sie nach hinten gehen, gehen wir mit. In einem Gang schauen sie einem Paar zu und fangen an, sich zu küssen; Christine und ich tun es auch: Wir küssen und grapschen uns. Ich bin überrascht: könnte doch was werden? Aber dann plötzlich kniet sich die Frau nieder und bläst ihn, kurz danach nimmt er sie von hinten. Hey, warte Mal! Wir haben erst gerade angefangen zu küssen, es war gerade gut. Pfffff. Die Lust geht uns aus: Wir schauen zu, aber irgendwo stimmt etwas nicht. Christine bringt es auf den Punkt: Beide sind schöne Menschen, aber zeigen keine Emotion, als ob sie ein erprobtes Programm abspulen würden. Wenig später sitzen wir alle zu viert an der Bar. Colalight und Prosecco.
Ich habe ein anderes Paar in der Menge identifiziert: Sie gehen einen anderen Rhythmus hin. Ein Fick, ein Teller Gulasch am Buffet, ein Fick, ein Teller Gulasch...

Die abgestandene Luft vom Berichtanfang ist nun beißend, stickend, brennend geworden. Christine muss würgen. Es ist nicht klar, ob es vom Buffet nach Essen, oder Fuss, Sperma, kalter Rauch, Schweiß, Frauenduft und billigem Aftershave, Mund oder Ohrenschmalz stinkt. Sicher alles zusammen.

Dann kommt Rebecca. Barfuß mit einem leichten Sommerkleid. Sie kommt mir vor, sie wäre vom Strand direkt ins Pandora geirrt. Ich sage ihr das Kompliment, dass sie hier erfrischend in diesem Haus auffällt. Sie lächelt mich an und bedankt sich, sie interessiert sich aber nicht für uns.
Später fühlt sich Christine nicht mehr wohl. Sie hat scheinbar einen zu viel getrunken. Ist ja alles umsonst… Das Essen war eine Zumutung, trinken ging bis jetzt gerade noch gut. Sie will jetzt heim. Mir ist es recht. Im Auto stellt sie fest, dass sie Hunger hat. Zuhause haben wir nicht viel zu Essen und es ist heute Nacht zu spät: „Lass uns zum Burger King gehen“ sagt sie zu mir. Christine und ich waren in 6 Jahren noch nie zusammen beim Burger King oder MacDo. Ich finde, es ist heute Nacht der perfekte Abschluss, sinnbildlich für den Abend.

Keine Kommentare: